Auf ein Wort! Österreichs Parlament am Prüfstand

Wer führt im österreichischen Parlament eigentlich das große Wort? Wer hingegen macht nicht viele Worte? Oder ist sowieso alles nur Wortklauberei? Dass sich auch in politischen Reden eine ganze Menge Daten verstecken, zeigt dieses Beispiel. Denn mithilfe von mehr als 30.000 Reden aus den Nationalratssitzungen lassen sich frei von jedem ideologischen Inhalt viele objektive Fakten herausfiltern. So können dank frei zugänglicher Daten und einem Meer von Wörtern einige interessante Fragen beantwortet werden: Reden weibliche Abgeordnete oder männliche Abgeordnete mehr? Welche Partei hält im Durchschnitt die längsten Reden? Welche Themen haben die einzelnen Jahre beherrscht?

Welche Wörter kommen in den Reden vor?

Bevor ich diese Frage beantworte, ein paar Sätze zu den Daten, auf denen die Analysen hier beruhen. Ich konnte die stenographischen Protokolle der Plenarsitzungen des österreichischen Nationalrats der XXIII., XXIV. und XXV. Gesetzgebungsperioden (bis inklusive 24.02.2016) herunterladen und so für die Auswertung aufbereiten, dass mir 30.820 Reden aus 409 Sitzungen für das Datenspielen zur Verfügung standen. Noch ein kleiner Disclaimer: Ich lasse nur die Daten sprechen. Wer von den Politikern dann auch wirklich zu seinem Wort steht, ist nicht Teil dieser Analyse ;-)

Worum geht es eigentlich im Nationalrat? Einen ersten Überblick bekommt man mittels einer Wortwolke. Sie zeigt die am öftesten vorkommenden Wörter aus allen Reden.

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Als nächsten Schritt die Themen im Laufe der Zeit: Dazu im Folgenden nun Wortwolken, die jeweils die Wörter hervorheben, die im entsprechenden Jahr überproportional oft – im Vergleich zu den anderen Jahren – vorkommen.

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2007 und 2008 waren 2 der 3 Nationalratspräsidenten weiblich, ab Oktober 2008 waren dann 2 männlich. Daher findet man Präsidentin überdurchschnittlich of in 2007 und 2008. Ebenfalls 2008 wurde Alfred Gusenbauer von Werner Faymann abgelöst, was man auch gut erkennt. 2008 wurde zum Beispiel auch die EU Volksabstimmung diskutiert.

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2009 befasst sich das Parlament zum Beispiel mit der Wirtschaftskrise, oder auch nur Krise.

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2010 thematisiert der Nationalrat insbesondere den Finanzminister mit das Budget. Das Thema Griechenland beginnt.

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2011 sind Griechenland, Schulden und Schuldenbremse große Themen, es geht dabei um Milliarden. Die Diskussion zur Wehrpflicht beginnt.

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2012 dominiert der Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen. Und man spricht über den Europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM.

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2013 findet die Landtagswahl in Niederösterreich statt. Die Krise in Zypern ist ebenso Thema wie der Rechnungshof, ein Spekulationsverbot und das Team, bzw. die Person Stronach. Und die Probleme mit der Hypo Bank beginnen.

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2014 steht im Zeichen der Insolvenz der Hypo AlpeAdria in Kärnten, die dem Steuerzahler Milliarden kostet. Die NEOS treten in Erscheinung, und international steht die Ukraine im Fokus.

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Flüchtlinge sind ein dominierendes Thema in 2015, und das Thema Steuerreform wird diskutiert. Wordcloud_2015

Die folgende Grafik zeigt, wie oft ausgewählte Wörter im Nationalrat über die Jahre hinweg verwendet werden. Im ersten Abschnitt sieht man die Wörter, die bereits oben bei den Wortwolken erwähnt wurden. Interessant vielleicht, dass das Thema Steuerreform 2007 bis 2009 bereits Thema war, dann war Funkstille, seit 2014 ist es nun wieder Thema. Dass Österreich in den Jahren 2011 bis 2013 eine Finanzministerin hatte, sieht man ebenso deutlich, wie den Wechsel an der SPÖ-Spitze und die Entwicklung der Parteien BZÖ, Stronach und NEOS.

Wörter pro Jahr

Eine andere Frage, die man anhand der Daten betrachten kann, ist, worüber welche Partei spricht. Für die Analysen unten habe ich neben den Parteien SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne auch die Minister und Ministerinnen der Regierung erfasst. Beginnen wir mit einem kleinen Rästel. Die Wortwolken unten zeigen pro Partei die Wörter, die von dieser Partei überdurchschnittlich (Wortwolke links) sowie unterdurchschnittlich (Wortwolke rechts) verwendet werden. Allerdings sind die Parteien mit Partei A, B, C, D und E anonoymisiert. Die Auflösung findet sich am Ende des Blogbeitrags.

Wortwolke Rätsel Partei A Wortwolke Rätsel Partei B Wortwolke Rätsel Partei C Wortwolke Rätsel Partei D Wortwolke Rätsel Partei E

Nun noch ein paar Analysen zum Thema Wörter pro Partei. Die Grafik unten zeigt, dass die FPÖ am meisten über sich selbst und die Grünen am meisten über die ÖVP sprechen. Die Regierungsvertreter reden relativ wenig über die einzelnen Parteien, am seltensten wird die SPÖ erwähnt.

Parteiwörter je Partei

Interessant auch, welche Parteien gewisse Wörter mehr oder weniger verwenden. Österreich wird von allen Parteien oft wendet, am meisten von der Regierung. Europa wird deutlich weniger oft erwähnt, am seltesten von FPÖ und Grünen. Die Regierung und die Grünen verwenden Fragen am häufigsten. Millionen werden von allen Parteien verwendet, Milliarden am häufigsten von der Regierung und von der FPÖ. SPÖ und ÖVP sprechen am öftesten von Kollegen. FPÖ und Grüne verwenden die Wörter Antrag, sagen, genau und wissen öfter als die Regierung, SPÖ und ÖVP.

Wörter je Partei

Im nächsten Beitrag werde ich die Daten aus dem Nationalrat weiter analysieren und endlich die Frage beantworten, ob männliche oder weibliche Abgeordnete die längeren Reden halten. Oder auch, in welchem Monat und an welchem Wochentag die meisten Reden gehalten werden.

Auflösung des Parteien Wortwolken Rätsels Regierung: Partei D, SPÖ : Partei A, ÖVP : Partei E, FPÖ : Partei C, Grüne : Partei B.

Erstellt am 06.11.2016